Was hat der Klimawandel mit Flüchtlingen zu tun?
Die Flüchtlingskrise ist in Deutschland spätestens seit September 2015 in aller Munde. In der öffentlichen Debatte werden Flüchtlinge dabei meist mit außen- und innenpolitischen Sicherheitsfragen in Verbindung gebracht. Diskutiert wird dabei zum Beispiel unter welchen Umständen Flüchtlinge wieder in ihre Heimat zurückkehren können oder was große Migrationszahlen für die innere Sicherheit in Deutschland bedeuten. In der Diskussion werden die Begriffe „Flüchtling“ und „Migrant“ oft synonym verwendet, doch die Unterschiede sind erheblich. Internationales Recht definiert klar, wer als Flüchtling gilt. Werden Menschen z.B. aufgrund von politischen oder religiösen Gründen verfolgt, schützt sie internationales Recht; auf Migranten trifft dies allerdings nicht zu.
Knapp fünfzig Prozent der Flüchtlinge in Deutschland kamen im März 2016 tatsächlich aus dem Kriegsgebiet Syrien. Bei dem Stellen von Asylerstanträgen fielen sie auf Rang eins, gefolgt vom Irak und Afghanistan. [1] Diese Gruppe kann somit auf den Schutz durch internationales Recht hoffen. Primär wirtschaftliche Motive werden anderseits Flüchtlingen aus den Balkanländern zugeschrieben, eine weitere große Gruppe Asylsuchender. Was in Zukunft aber noch zunehmen könnte – und bisher in der Debatte kaum Beachtung fand – ist Migration und Flucht aufgrund sich durch den Klimawandel verändernder Umweltbedingungen. Kurzzeitig wurde in den deutschen Medien etwa die Dürre in Syrien als alleiniger Ausgangspunkt für die Flucht diskutiert. Wissenschaftler widerlegten diese These in einem gemeinsamen Schreiben allerdings sehr schnell und sehen im Klimawandel nur einen Treiber von Migration und Konflikt unter vielen.[2]
Inwieweit ist der Klimawandel also als aktuelle und zukünftige Migrationsursache zu verstehen? Wird die Zahl der Schutzsuchenden aufgrund klimatischer Veränderungen in den kommenden Jahren steigen? Schätzungen zufolge haben sich im Zeitraum von 2009 bis 2014 weltweit etwa 27 Millionen Menschen aufgrund von Naturkatastrophen, wie beispielsweise Überflutungen oder Stürmen, auf die Flucht begeben.[3] Klimabedingte Migration wird laut verschiedener Prognosen auch in den kommenden Jahrzehnten stark ansteigen, weil steigende Durchschnittstemperaturen solche Wetterextreme häufiger und intensiver machen. Doch der prognostizierte Anstieg, der sich in Millionenhöhe bewegt, schwankt. Die Zahlen sind dabei außerdem nicht unbedingt verlässlich. Nicht zuletzt auch, weil diese Berechnungen meist auf der Gesamtanzahl von Menschen in Risikoregionen basiert, und nicht auf der Zahl der Menschen die schlussendlich auswandern.[4] Während zum Beispiel Überschwemmungen in Bangladesch große Teile der Bevölkerungen in die Städte treibt[5], ist das Bild in anderen Teilen der Erde nicht immer so eindeutig. Oftmals spielen bei der Entscheidung die Heimat zu verlassen sozioökonomische, kulturelle und sicherheitspolitische Faktoren eine ebenso große Rolle. Außerdem wird nicht bedacht, dass Menschen sich auch bis zu einem gewissen Grad an veränderte klimatische Bedingungen anpassen können, um weiterhin in den betroffenen Gebieten leben zu können. Oder die Auswanderung in andere Regionen geschieht nur zeitweise.[6]
Wer ist ein „Klimaflüchtling“?
Die Zusammenhänge zwischen Klimawandel und Fluchtbewegung sind also oft komplex und nicht exakt voneinander zu unterscheiden.[7] Der Begriff des „Klimaflüchtlings“ ist daher stark umstritten, obwohl er bereits seit 1985 existiert und fünf Jahre später in den ersten Bericht des Weltklimarates (IPCC) aufgenommen wurde.[8]
Entsprechend komplex und umstritten sind somit auch Asylanträge von vermeintlichen Klimaflüchtlingen. Neuseeland soll zum Beispiel 2014 einer Familie der Insel Tuvalu erstmals aufgrund der Bedrohung ihrer Lebensgrundlage durch den Klimawandel Asyl gewährt haben. Inselstaaten im Pazifik sind besonders akut vom Klimawandel bedroht. Es soll sich hierbei jedoch nicht um einen Präzedenzfall handeln, da andere Umstände wie beispielsweise Familienangehörige auch eine Rolle gespielt haben. In einem anderen Fall lehnte Neuseeland einen ähnlichen Asylgesuch eines Bewohners der Insel Kiribati mit der Begründung ab, dass der Klimawandel keine direkte Bedrohung darstelle. Das internationale Asylrecht sieht im Allgemeinen den Klimawandel also nicht als Asylgrund an, sondern erteilt Asyl in der Regel aufgrund von politischer oder religiöser Verfolgung. Menschen, die in den kommenden Jahrzehnten aufgrund klimabedingter Veränderungen ihre Heimat verlassen werden, können also auf keinen wirklichen Rechtsschutz hoffen, denn der Anspruch auf Asyl greift nicht.
Mit einer Flut von Klimaflüchtlingen ist also bisweilen in Deutschland zumindest aus rechtlicher Sicht nicht zu rechnen. Auch sollte nicht vergessen werden, dass Klimaflüchtlinge nicht zwangsläufig immer außerhalb ihres Landes Schutz suchen, sondern meistens in andere Region auswandern oder in benachbarten Ländern bleiben. Dennoch erscheint eine baldige Anerkennung von Klimaflüchtlingen unwahrscheinlich. Das dazu erforderliche einheitliche Verständnis der Problematik und eine Festlegung von Kriterien für eine klimabedingte Flucht liegen noch in weiter Ferne. Ein wesentlicher Grund dafür ist, dass regionale Unterschiede und viele kontextspezifische Faktoren allgemeine Aussagen kaum zulassen.[9] Bei der Weltklimakonferenz im Dezember 2015 in Paris wurde nun zumindest explizit auf die Problematik hingewiesen und das Abkommen hebt zunehmende Dürren und den Anstieg des Meeresspiegels als Migrationsgrund hervor.[10] Dies kann als kleiner Erfolg für all diejenigen gewertet werden, die in Regionen der Welt leben, die stark vom Klimawandel betroffen sind, und sich in der Zukunft möglicherweise zur Flucht entscheiden. Es sind im Übrigen in der Regel auch diejenigen, die historisch betrachtet am wenigsten zum Klimawandel beigetragen haben, wie die Inseln in der Pazifikregion, die bereits heute stark unter dem Anstieg des Meeresspiegels leiden.[11]
Schlussfolgerung
Was hat der Klimawandel also mit Flüchtlingen zu tun? Der internationale Weltklimarat schreckt bis heute davor zurück, einheitliche Kriterien für eine klimabedingte Flucht festzulegen – zu groß scheint die Sorge vor dem möglicherweise daraus resultierenden Asylanspruch und vor steigenden Flüchtlingszahlen. Fakt ist außerdem, dass eine Flucht meist mehrere Ursachen hat, der Klimawandel hier aber möglicherweise als Hauptursache oder als Verschärfer anderer Ursachen zukünftig häufiger auftreten wird.[12] Diese Umstände erschweren es Politikern, Entscheidungen für eine weitreichende und vorausschauende Klimapolitik im Hinblick auf Fluchtursachen zu entwickeln. Langfristig ist es trotzdem notwendig, sich auf die klimatischen Veränderungen vorzubereiten oder die Anpassung in gefährdeten Ländern zu unterstützen um zukünftige Fluchtursachen schon heute zu bekämpfen. Dafür sollte die Weichenstellung lieber früher als später erfolgen.
We thank Christoph Priebe for editorial assistance.
[1] Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) (2016): Aktuelle Zahlen zu Asyl, März 2016; https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Downloads/Infothek/Statistik/Asyl/statistik-anlage-teil-4-aktuelle-zahlen-zu-asyl.pdf;jsessionid=C3F079A2C57EF2F81487B4EBB5627522.1_cid359?__blob=publicationFile
[2] Deutsches Klima Konsortium (2016): Pressemitteilung vom 11.2.2016, Klimawandel als ein Treiber unter vielen; http://www.deutsches-klima-konsortium.de/fileadmin/user_upload/pdfs/PE_PM/20160211_PM_DKK-KF_zu_Klimawandel_und_Migration.pdf
[3] Held, D. (2016), Climate Change, Migration and the Cosmopolitan Dilemma. Global Policy. doi: 10.1111/1758-5899.12309
[4] Gemenne F. (2009): Géopolitique du changement climatique. Paris: Armand Coli, S. 159.
[5] Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), (2014): Human Security, in: Climate Change 2014: http://www.ipcc.ch/pdf/assessment-report/ar5/wg2/WGIIAR5-Chap12_FINAL.pdf
[6] McLeman, R. and L. Hunter (2010); Migration in the context of vulnerability and adaptation to climate change: insights from analogues. WIREs Clim Change, 450-461. doi: 10.1002/wcc.51, S. 454f.
[7] Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), (2014): Human Security, in: Climate Change 2014: http://www.ipcc.ch/pdf/assessment-report/ar5/wg2/WGIIAR5-Chap12_FINAL.pdf
[8] Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), (1990): Climate Change. The IPCC Scientific Assessment. Cambridge University Press, S. 20.
[9] O’Loughlin, J. et al. (2012): Climate variability and conflict risk in East Africa, 1990-2009. Proceedings of the National Academy of Sciences, 18344-18349.
[10] United Nations Framework Convention on Climate Change (UNFCCC), (2015): The Paris Agreement, in: , S. 2
[11] Klepp, S. and J. Herbeck (2016): The politics of environmental migration and climate justice in the Pacific region. Journal of Human Rights and the Environment. doi: 10.4337/jhre.2016.01.03
[12] Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), (2014): Human Security, in: Climate Change 2014: http://www.ipcc.ch/pdf/assessment-report/ar5/wg2/WGIIAR5-Chap12_FINAL.pdf